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Farbe und Steine gegen Start-Up Standorte

By chronik on 27. April 2018

Berlin, April 2018

Gentrifizierung und steigende Mieten sind in Berlin leider schon lange bekannt, schlechte Arbeitsverhältnisse erst recht. Relativ neu sind hingegen Start-Ups, Co-Working Spaces und Technologie Parks, die das Ganze auf die Spitze treiben. Darum haben wir einigen von ihnen einen Besuch abgestattet: der Factory Mitte, dem Technologiepark Humboldthain und dem geplanten Google-Campus in Kreuzberg.

Die politisch beförderte Ansiedlung von Start-Ups und Co-Working Spaces in unterschiedlichen Kiezen in Berlin zieht die Schrauben von Aufwertung und Verdrängung in der unternehmerischen Stadt weiter an. Größere Co-Working Areale wie die von Factory wirken als Motor der Gentrifizierung. Steigende Preise für Gewerbeflächen in der Umgebung verdrängen soziale Träger und Kleingewerbe, entziehen den Betreiber*innen die ohnehin prekäre Geschäftsgrundlage. Das Beteiligungsunternehmen Rocket-Internet SE beispielsweise, wozu auch Zalando gehört, kaufte die Ufer-Hallen im Wedding, um diese mittelfristig für Start-Ups herzurichten. Die dort arbeitenden Künstler*innen und ihre Ateliers werden weichen müssen. Eine weitere Welle der kapitalistischen Standortaufwertung ist die Nachhut der Start-Ups. Sie lässt unsere Kieze zu Kulissen für die Mehrwertgenerierung veröden. Kein Platz mehr für die, die nicht ins Bild der reichen und geleckten Stadt passen.

In der Start-Up-City haben auch Mieter*innen nichts zu lachen. Mietwohnungen werden zu hochpreisigen, möblierten Apartments mit temporären Mietverträgen aufgewertet: Neuer Wohnraum für die hyperflexible Arbeiter*innenschaft der Tech-Branche, die Berlin so umgarnt. Durch die stetige Neuvermietung lassen sich rasant wachsende Profite erzielen. Unternehmen wie „wunderflats“ bieten Wohnungseigentümer*innen den Service, ihre Wohnungen zu möblierten Luxusapartments herzurichten. Anschließend mieten Unternehmen diese für ihre Angestellten, die auf dem Berliner Wohnungsmarkt sonst keine Wohnungen finden. Ehemals günstiger Wohnraum wird so zur Luxusware. Start-Ups, die zu größeren Unternehmen herangewachsen sind, steigen selbst in den Immobilienmarkt ein. Zalando kaufte Wohnungen am Boxhagener Platz, schmiss die alten Mieter*innen raus und hält diese nun zu Höchstpreisen für ihre Mitarbeiter*innenschaft vor.

Umstrukturiert wird die Stadt auch durch die neuen Arbeitsverhältnisse, die mit dem stetig wachsenden Start-Up Bereich zunehmend an Bedeutung gewinnen. So locken Start-Ups auf der einen Seite die oben genannte hyperflexible neue Mittelklasse in Stadtteile, in denen dadurch Aufwertungsprozesse angetrieben werden und produziert auf der anderen Seite neue Formen der Prekarität. Die Spanne reicht dabei von vielen extrem miserabel bezahlten Clickworker*innen bis zu wenigen, die sich durch diese Arbeit zwar vieles leisten können, aber denen mit 35 das erste Burnout blüht. Auf sie wartet die völlige Verschmelzung von Lohnarbeit und Leben. Start-Ups verkaufen ökonomische Zwänge als Lifestyle, der Freiheit und Selbstbestimmung verspricht, im Kern aber auf eine noch stärkere (Selbst)- Ausbeutung hinausläuft. Vermeidlich leichte Aufstiegschancen und flache Unternehmenshierarchien sollen eine völlige Identifikation der Arbeitenden mit ihren Bossen und den Zwängen der Lohnarbeit sicherstellen. Immer mehr Menschen werden, z.B durch Versprechen selbstbestimmter Arbeitszeiten, in schlecht bezahlte Jobs gelockt und dann etwa als Essensauslieferer*innen bei Deliveroo und Co ausgebeutet. Versuche der gewerkschaftlichen Organisierung werden mit allen Mitteln bekämpft. Durch smarte Technik wird jeder Schritt oder Klick der Arbeiter*innen überwacht. Jeder Gang zum Klo, jede Sekunde unproduktiven Bummelns wird registriert. In immer mehr Unternehmen geben Algorithmen den Ausbeutungstakt vor, kleinste Abweichung vom Terror der Leistungsnorm müssen in Feedback-Gesprächen erklärt werden oder führen direkt zur Abmahnung.

In ihrer Vision einer Stadt der Zukunft treffen sich große Player wie Google mit vielen Start-Ups aus der Technologie-Branche und Offiziellen aus der Stadtverwaltung. „Smart City“ ist das Schlagwort. Die Stadt soll mithilfe neuer Technologien „intelligenter“ und effizienter werden. Dafür soll etwa die Infrastruktur so vernetzt und Datenströme so nutzbar gemacht werden, dass der öffentliche Raum durchgängig analysiert und gesteuert werden kann. Dass dies als Konsequenz eine Stadt schafft, in der Technik keine Befreiung von Zwängen bedeutet, sondern sie Mittel zu Überwachung und Kontrolle darstellt, ist absehbar. In Kombination mit den Möglichkeiten, die den Repressionsbehörden schon jetzt zur Verfügung stehen, wie etwa der neuerdings am Südkreuz angebrachten Kameras mit Gesichtserkennungssoftware, eine düstere Vorstellung.

Das massenhafte Auftauchen der Start-Ups ist kein Zufall sondern verweist auf die andauernde kapitalistische Verwertungskrise. Überschüssiges Kapital, das keine anderen rentablen Anlage-Möglichkeiten findet, wird als Risikoinvestion in Start-Ups gepumpt mit der Hoffnung, weitere Bereiche unseres Lebens für die Profitgenerierung zu erschließen. Anstatt endlich mit dem schönen Leben für alle anzufangen werden uns nutzloser Schrott und Lifestyle-Apps als Innovation verkauft. Doch gegen diese Entwicklung regt sich Widerstand. Der deutschen Start-up-Verband zeigte sich gegenüber der Morgenpost besorgt über sich entwickelnde Kämpfe gegen weitere Ansiedlungen von Start-Ups und neue Standorte von Google und Zalando in Kreuzberg und Friedrichshain (https://www.morgenpost.de/berlin/article214033549/Start-ups-in-Berlin-Senat-gefaehrdet-die-Entwicklung.html ).

Wir wollen den Widerstand gegen die Start-Up-City über das gesamte Stadtgebiet ausweiten. Deswegen haben wir …

1.) … bei der Factory Mitte Farbe und Glasbruch hinterlassen, einem Co-Working Space und Start-Up Standort der unter anderem mit seinem neuen Ableger am Görlitzer Park ein aktiver Verdrängungsakteur ist. (vgl.https://de.indymedia.org/node/15021)

2.) … im Wedding in der Nacht zum 26. April ein Objekt der GSG markiert.

Die Gewerbesiedlungsgesellschaft (GSG), die ursprünglich dafür gegründet wurde, Gewerbeflächen zu niedrigen Preisen zu vermieten, ist seit 2007 privatisiert und gehört zu Großteilen international agierenden Konzernen. Seitdem steigen die Mieten rasant. Was die GSG davon hält, dass dabei vom sozialen Projekt bis zum mittelständischen Unternehmen niemand mit diesen Mieten mithalten kann, bringt Sebastian Blecke, der Operative Geschäftsführer der GSG, in einem Interview mit dem rbb auf den Punkt: „Ein Start-up hat natürlich keine Zeit, sich mit dem Kiez und den Problemen der Bevölkerung hier zu beschäftigen.“

Im „Zukunftsort Technologiepark Humboldthain“ (TPH) wird nicht nur munter verdrängt, sondern auch aktiv an einer bonzengerechten Umgestaltung der Stadt getüftelt: Laut offizieller Internetseite ist der TPH ein wichtiger Vernetzungsort für Firmen „der klassischen Spitzentechnologie“ und ein wichtiger Knotenpunkt für innovative Ideen für eine zukünftige „Smart City“ Berlin.

Welche Akteur_innen hier „networken“ und welcher Art ihre „innovativen Ideen“ sind, wird bei einem näheren Blick auf Team und Partner schnell klar: Andreas Thisen, stellvertretender Vorsitzender des TPH, steht auf der Gehaltsliste von SPECS Surface Nano Analysis, einem Unternehmen, das unter anderem im Bereich der Nanotechnologie sein Unwesen treibt. Nanotechnologie wird kaum reguliert und findet verstärkt in der Kriegsindustrie Anwendung: „Zu den mehr als 20 militärischen Anwendungsfeldern zählen neue Werkstoffe für zerstörerischere Geschosse oder leichtere Kampfjets, Manipulationen an den Körpern von Soldaten oder neuartige Biowaffen“, meint Physiker Jürgen Altmann.

Zu den Partnern des TPH zählen unter anderem omni:us, die Deutsche Bank und IBM.

Omni:us produziert Software zur Automatisierung von Firmen-Kund_innen-Kontakt, überwiegend für Versicherungen.

Die Deutsche Bank ist allseits für ihre Rolle in der Immobilienkrise und bei Lebensmittelspekulation verhasst. Außerdem tragen ihre Investitionen in Bergbauunternehmen, Palmölproduzenten und die Braunkohleindustrie, sowie ihre Beteiligung an der Dakota Access Pipeline, massiv zur Zerstörung der Umwelt bei. Aktuell gipfelt ihre lebensverachtende Profitgier in der Mitfinanzierung des Leopard II-Panzers, mit dem die Türkische Armee in Afrin mordet.

IBM produziert nicht nur Open-Source-Produkte und Konsolenhardware, sondern forscht auch zu so charmanten Tools wie dem „Internet der Dinge“ und der Analyse riesiger Datenmengen, teils durch „Cloud-Computing“. IBM produziert außerdem Software zu militärischen Zwecken und ist Vertragspartner der US-Armee und der Bundeswehr.

3.) … die Fassade des geplanten Google-Campus mit Farbe eingedeckt und in der Umgebung Botschaften des Widerstands hinterlassen.

Google ist Hauptakteur bei der Transformierung kapitalistischer Herrschaftsverhältnisse hin zu totaler Kontrolle. Mit ca. 160 Mrd USD Jahresumsatz drängt Google/Alphabet zugleich zu neuen Geschäftsfeldern wie z.B. Smart-City-Projekten inklusive Immobilieninvestitionen.

Steigende Mieten und den kapitalistischen Immobilienmarkt gab es schon vor Google – wir brauchen kein Mini-Sillicon-Valley in Berlin. Dem Versuch diesen Google-Campus in X-Berg zu etablieren, muss also mit kreativem Widerstand begegnet werden.

Unser Hass und unsere Wut gelten all diesen Gewalttäter_innen, die sich ein goldenes Näschen verdienen mit der Verdrängung und Ermordung von Menschen, sowie der Digitalisierung und Automatisierung von Ausbeutung und Krieg.

Die wachsende Protestbewegung gegen den Mietenwahnsinn (u.a. mit der Massendemonstration am 14. April in Berlin), die vielfältigen Kämpfe gegen den kapitalistischen Ausverkauf der Stadt und für unsere Freiräume machen uns etwas Hoffnung in diesen düsteren Zeiten. Wir müssen diese Kämpfe verbinden und zuspitzen, uns gegenseitig kennenlernen und unterstützen. Die Maisteine Aktionstage ( https://maisteine.blackblogs.org/), die Organize Aktionswoche vor der Walpurgisnacht-Demo im Wedding ( https://organizeberlin.blogsport.eu) die Chaos- und Diskussionstage ( https://gegenstadt.blackblogs.org/) oder die #besetzen Kampagne ( https://besetzen.noblogs.org/) bieten dafür vielfältige Möglichkeiten.

Autonome Gruppen

Quelle: Indymedia (Tor)

 

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