chronik
widerständige momente festgehalten
Browse: Home / Feuer an Jobcenter gelegt

Feuer an Jobcenter gelegt

By chronik on 31. Dezember 2020

Berlin, 31. Dezember 2020

2002 begann unter Führung der regierenden Sozialdemokraten mit der Entwicklung der „Sozialreform Agenda 2010“ eine großangelegte Umstrukturierung des deutschen „Sozialstaates“. Im Willen die sozioökonomischen Verhältnisse entsprechend einer neoliberalen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung neu auszurichten und die Verwaltung der Massenarbeitslosigkeit „zukunftssicher“ zu gestalten, verbarg sich hinter der Agenda 2010 vor allem ein grundlegender Angriff auf die arbeitslose oder prekär beschäftigte Klasse.

Der Diskurs machte aus Arbeitslosen und prekär Beschäftigten diejenigen, die faul seien, nicht arbeiten wollten, gerne dem Staat auf der Tasche liegen und auf Kosten der arbeitenden Gesellschaft ausschlafen. Dass das Ziel der Vollbeschäftigung nur noch leere Worte waren, wichtige Industriezweige nach Osteuropa und Asien ausgelagert wurden und mit dem Konstrukt des Jobcenters eine riesige Branche aussichtsloser Schulungs- und Weiterbildungszentren aus dem Boden gestampft wurden, sollten nicht als Argumente benannt werden. Mit den damaligen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, heute Ein-Euro Jobs oder sogenannten Fördermaßnahmen, werden die Statistiken der Arbeitslosigkeit geschönt und von außen der Eindruck vermittelt, dass tatsächlich Förderung passiere.

Die Folgen der Agenda sind neben dem Repressionsapparat Jobcenter, ein massiver Niedriglohnsektor, die Option für die Bosse durch Leih- und Kurzarbeit Arbeitende genauso schnell zu ordern und wieder zu feuern und eine verstärkte Konditionierung und Spaltung der sogenannten „Leistungsgesellschaft“. Das Bild, welches weltweit vermittelt wird, ist immer noch eines des Wohlstandes und absichernden Sozialstaates Deutschland, in dem für alle Arbeit da ist, sofern Menschen denn bereit sind sich „aktivieren“ zu lassen.

Dass über die Jahre der Dienstleistungsgesellschaft eine Pyramide ausgebaut wurde in der ganz unten die Fahrradlieferant*innen, Erntehelfer*innen, Amazonfahrer*innen, Sicherheitsmitarbeiter*innen und Putzkräfte stehen, die überwiegend Migrationshintergrund oder Fluchterfahrung haben und nicht ohne Grund keine Chance auf eine bessere Stellung oder Tarifverträge in der BRD bekommen, ist eine der auffallenden Folgen dieser Entwicklung.

Gerade in Zeiten der weltweiten Corona-Pandemie phantasiert und schwadroniert der Staat plötzlich von Solidarität und Zusammenhalt. In einer Zeit, in der Klassenunterschiede deutlicher zutage treten als je zuvor und Solidarität im Sinne des Staates nur bedeuten, sich selber noch weiter aufzuopfern für das Weiter-So des Kapitalismus.

Während die Manager*innen im Homeoffice ihre Profite ausbauen, Politiker*innen es bevorzugen über bewaffnete Drohnen, Telekommunikationsüberwachung und Gesichtserkennungssoftware zu debattieren, erhält der Großteil der Arbeiter*innen nur noch einen Bruchteil ihres Lohns, bangt um die Zukunft ihrer Betriebe oder schuftet weiterhin in den Fabriken oder Krankenhäusern. Der Staat greift währenddessen großzügig in seine Taschen um den börsennotierten Groß-Konzernen unter die Arme zu greifen, in dem Wissen, dass in dem längst befriedeten Staat die Kritik daran oder gar ein Generalstreik in weiter Ferne liegen.

Durch die Zuspitzung dieser sozialen Frage finden sich immer mehr Menschen am Rand der Gesellschaft wieder und wir haben die Hoffnung nicht aufgegeben, dass auf lange Sicht der Ausbruch unserer Wut nicht verhindert werden kann. Unsere Rolle dabei sollte sein, unseren Freund*innen aus den Schlangen der Jobcenter und Ausländerbehörden, in den Autos der Lieferdienste oder vor den Toren der Fabriken und Logistiklager in ihren Kämpfen zur Seite zu stehen und die Lüge der „Sozialpartnerschaft“ in Flammen aufgehen zu lassen.
So freute uns zum Beispiel aus Frankreich zu lesen, dass an Heiligabend 27 Transporter von Amazon den Flammen übergeben wurden.

Wir haben unsererseits die letzten Tage des Jahres genutzt, dem Jobcenter Lichtenberg vier Autoreifen vor die Tür zu legen. Kein „stay at home“, kein 87 % Kurzarbeitergeld und keine Notstandsverordnungen beklatschende Linke kann und darf uns vergessen machen, dass es die bestehenden Verhältnisse umzuwerfen gilt. Wenn wir aber auch 2021 nicht in die Gänge kommen, den staatlichen Allmachtsansprüchen gerade während dieser Pandemie etwas entgegen zu setzen, sieht es damit zunehmend düster aus.

Für ein besseres Morgen!

Quelle: Kontrapolis.info (Tor)

 

Posted in Deutsch | Tagged Berlin

« Previous Next »
  • Deutsch (3.500)
  • English (266)
  • Español (54)
  • Français (178)
  • Italiano (917)
  • Video (70)

Städte

Berlin Leipzig Hamburg München Bremen Frankfurt am Main Dresden Stuttgart Wuppertal Göttingen Hannover Köln Kiel Hambacher Forst Freiburg Magdeburg Rostock Kassel Nürnberg Münster Dortmund Würzburg Halle Marburg Tübingen Lübeck Jena Karlsruhe Chemnitz Bonn Bielefeld Aachen Flensburg Erfurt Mannheim Essen Duisburg Neumünster Lüneburg Mainz Greifswald Bochum Potsdam Düsseldorf Weimar Gießen Osnabrück Ludwigsburg Darmstadt Heilbronn

April 2025
MoDiMiDoFrSaSo
 123456
78910111213
14151617181920
21222324252627
282930 
« Dez  
  • Dezember 2024
  • November 2024
  • Oktober 2024
  • September 2024
  • August 2024
  • Juli 2024
  • Juni 2024
  • Mai 2024
  • April 2024
  • März 2024
  • Februar 2024
  • Januar 2024
  • Dezember 2023
  • November 2023
  • Oktober 2023
  • September 2023
  • August 2023
  • Juli 2023
  • Juni 2023
  • Mai 2023
  • April 2023
  • März 2023
  • Februar 2023
  • Januar 2023
  • Dezember 2022
  • November 2022
  • Oktober 2022
  • September 2022
  • August 2022
  • Juli 2022
  • Juni 2022
  • Mai 2022
  • April 2022
  • März 2022
  • Februar 2022
  • Januar 2022
  • Dezember 2021
  • November 2021
  • Oktober 2021
  • September 2021
  • August 2021
  • Juli 2021
  • Juni 2021
  • Mai 2021
  • April 2021
  • März 2021
  • Februar 2021
  • Januar 2021
  • Dezember 2020
  • November 2020
  • Oktober 2020
  • September 2020
  • August 2020
  • Juli 2020
  • Juni 2020
  • Mai 2020
  • April 2020
  • März 2020
  • Februar 2020
  • Januar 2020
  • Dezember 2019
  • November 2019
  • Oktober 2019
  • September 2019
  • August 2019
  • Juli 2019
  • Juni 2019
  • Mai 2019
  • April 2019
  • März 2019
  • Februar 2019
  • Januar 2019
  • Dezember 2018
  • November 2018
  • Oktober 2018
  • September 2018
  • August 2018
  • Juli 2018
  • Juni 2018
  • Mai 2018
  • April 2018
  • März 2018
  • Februar 2018
  • Januar 2018
  • Dezember 2017
  • November 2017
  • Oktober 2017
  • September 2017
  • August 2017
  • Juli 2017
  • Juni 2017
  • Mai 2017
  • April 2017
  • März 2017
  • Februar 2017
  • Januar 2017
  • Dezember 2016
  • November 2016
  • Oktober 2016
  • September 2016
  • August 2016
  • Juli 2016
  • Juni 2016
  • Mai 2016
  • April 2016
  • März 2016
  • Februar 2016
  • Januar 2016
  • Dezember 2015
  • November 2015
  • Oktober 2015
  • September 2015
  • August 2015
  • Juli 2015
  • Juni 2015
  • Mai 2015
  • April 2015
  • März 2015
  • Februar 2015
  • Januar 2015